Aufgekommene Fragen...

 
   
     
 
 
     
  Ich wurde gefragt:  
  [...]
Mein RB-Pferd braucht beim Reiten immer Dreieckszügel, weil er sonst den Zügel nicht annimmt. Nun wollt ich dich fragen, ob du mir irgendwie tipps geben kannst, wie er ein bisschen besser am Zügel geht ohne Dreiecke? Das wäre echt toll.
 
     
  Meine Meinung dazu:  
  [...]

Was Du über Dein RB-Pferd erzählst bedrückt mich sehr … warum meinen so viele Leute Reiten bestünde darin „vorne zu ziehen" und „hinten zu klopfen" – das ist wirklich traurig.

Umso mehr freue ich mich, dass Du nicht so denkst und nach anderen Möglichkeiten suchst --- mein ganz liebes Lob an Dich!

Deine Frage kann ich nicht auf Anhieb beantworten, weil ich eine gymnastizierende, pferdegerechte, körperfördernde - keine einschnürende Reitweise bevorzuge. Die so genannte Versammlung des Pferdes entsteht von „hinten her“ durch Beugen der Gelenke in der flexiblen Hinterhand des Pferdes. Dadurch entsteht eine „Vorwärts-Aufwärtstendenz“ des gesamten Pferdekörpers – in der Folge dessen, wölbt das Pferd Rücken und Hals und der Kopf steht (je nach Körperbau des Pferdes) leicht vor der Senkrechten. Die Kopfhaltung ist allerdings „nur“ das Ergebnis der Versammlung des Pferdes.
Wenn der Reiter eine Kopfhaltung z.B. in die Senkrechte durch Zügelzug oder Hilfszügel erzwingt, hat das nichts mit gymnastisch wertvoller Versammlung zu tun, sondern ist sehr schädlich für das Pferd (sogenannter falscher Knick - siehe u.a. hier: www.pferdewissen.ch/Biomechanik ). Leider wird oftmals so geritten, da viele Leute meinen das Pferd müsse nur den Kopf „schön“ halten, dann würde es auch gut laufen. Doch dem ist nicht so.

Um dem Pferd zu helfen (daher übrigens auch der Begriff Reiterhilfen - im altklassischen Verständnis von Reiten handelt es sich dabei nämlich wirklich um Hilfen durch den Reiter für das Pferd in genau dem richtigen Moment gegeben, um in eine körperschonende, anmutige Bewegung zu gelangen) sich seiner flexiblen, kräftigen Hinterhandmuskulatur bewusst zu werden, ist Vorwärts-abwärts-Dehnen am Anfang sinnvoll.Dadurch wird dem Pferd zu ermöglicht seinen Rücken aufzuwölben und mit den Hinterbeinen weit unter sein Körpergewicht zu treten. Wenn das Pferd durch viel Training auch am Boden und besonders in gymnastizierenden Seitengängen, Tempowechseln, Verstärkungen etc. genug Balance entwickelt, wird es sich von selbst und zwar von hinten her „zusammen schieben“ und die Tritte verkürzen. Das kann allerdings erst geschehen, wenn das Pferd genügend Muskeln in Hinterhand, Bauch, Rücken und Hals aufgebaut hat - erst dann kann sich das Pferd ohne Zuhilfenahme seine Kopfes (Pendel) ausbalancieren. Außerdem muss der Reiter viel Feingefühl und Balance entwickeln, um das Pferd in seinen Bewegungen zu fördern und zu unterstützen.

Also nochmal: alles „vorne ziehen“ ist nicht pferdegemäßes Reiten und bringt das Pferd aus dem Gleichgewicht.
Wenn das Pferd durch aktive Hinterhandtätigkeit gelernt hat, an den Zügel heran zu treten und Anlehnung zur Unterstützung und feinen Kommunikation zu suchen, sollte dieses gewährt und gefördert werden.

Das leider weit verbreitete aktive „Vorne-Machen“ (deutlicher gesagt: riegeln, gängeln, einengen, zerren, einschnüren) trägt nicht im Geringsten Maße zur Gymnastizierung des Pferdes bei, sondern schadet stattdessen der Pferdegesundheit und auch der Pferdeseele.

Die so genannte Versammlung und das damit erreichte „am Zügel gehen“ des Pferdes ist eine sehr komplexe Sache und nur durch konsequente Übung und durch entsprechendes Training des Pferdes zu erreichen. Ich beherrsche diese hohe Kunst noch nicht – ich arbeite stetig mit Freude, Fleiß, Konsequenz, Gefühl und Wissensdurst daran :-).

Infos mit Bildern zu Pferdeanatomie und Auswirkung diverser Reitmethoden auf die Pferdegesundheit findest Du unter anderem hier:
www.physio-riding.de
und hier:
www.pferde-physio.net/uebermich/anatomie und funktion des pferderueckens/versammlung
Vielleicht hast Du ja Lust, Dich in Sachen wie physiologisches, gymnastizierendes Reiten „hinein zu lesen“, es gibt sehr viele gute Bücher darüber (u.a. von S.G. Solinski, P. Karl, M. Symbill und sämtliche Bücher über Pferdeanatomie) --- das ist wirklich super interessant, außerdem ist es sehr bereichernd "auf dem Weg zur Wahrheit zu sein" und sich nicht mit "Manipulationen", Techniken und anderen niederen Methoden zu begnügen :-). Ein Pferd zu Reiten ist etwas viel Größeres und Höheres als in vielen Reitschulen vermittelt werden kann. Der Faktor Zeit ist hier wohl das Wichtigste! Es ist ein tolles Gefühl, mit dem Pferd in Balance zu sein und zu wissen, dass man dem Pferd etwas Gutes tut :-). Es macht große Freude sich weiter zu bilden, auf der "Suche" zu sein, Neues zu entdecken und die Beziehung zum Pferd stetig zu vertiefen. Das Körpergefühl, das sich ein guter Reiter zwangsweise aneignen muss, trägt zu körperlicher Fitness und innerer Zufriedenheit bei.

Nochmal zurück zu Eigentlichen:
Das Thema „Versammlung“ des Pferdes ist so umfangreich, dass ich dieses hier nicht erschöpfend behandeln kann. Ich würde Dir raten, Dich in diverse Bücher einzulesen, viel Wissen zu sammeln über Pferdeanatomie und pferdegemäßes Reiten und natürlich viel zu Üben. Das Gefühl für das Pferd, für die eigenen Bewegungen und für die Bewegungen des Pferdes entwickelt sich langsam und erfordert Geduld und Konsequenz. Ich „arbeite“ ständig an meinem Reitersitz, lasse mich durch Foto/Video kontrollieren und nehme guten (!) Reitunterricht, wann immer es mir möglich ist. So lange ich es nicht beherrsche, das Pferd von „hinten her“ zu versammeln und mittels Sitzeinwirkung die Tritte des Pferdes zu verkürzen und zu verlängern werde ich mich davor hüten, die Zügel „kurz“ zu nehmen. Die Verbindung Reiterhand-Pferdekopf sollte jederzeit weich, sanft und leicht sein. Dem Pferd muss es möglich sein, seinen Kopf in der natürlichen Nickbewegung zu bewegen ohne am Zügel „anzustoßen“. „Hängt“ der Reiter im Zügel, wird das Pferd aus der Balance gebracht – mit pferdegemäßem, gymnastizierendem Reiten hat das logischerweise nichts zu tun. Ich hoffe sehr, dass nach Skandalberichten wie z.B. über die Rollkur etc. und nach dem Erscheinen von Büchern wie „Irrwege der modernen Dressur“ von P. Karl die Reiterwelt umdenkt, zum Wohl der Pferde und auch zum Wohl der Reiter… denn es kann doch keinen Spaß machen zu zerren, zu ziehen, zu drücken und zu schieben.
Jene Leichtigkeit der Bewegung, jener Tanz, in dem Reiter und Pferd zusammen finden können ist doch das was uns so sehr am Reiten „berührt“, oder :-).

Wie gesagt :-) - ich möchte Dir raten: informiere Dich über „anatomisch richtiges“ Reiten und versuche entsprechenden Reitunterricht zu erhalten. Hast Du nicht die Möglichkeit den Reitlehrer zu wechseln, so konfrontiere Deinen jetzigen Reitlehrer doch einfach mit Deinen Erkentnissen, die Du Dir dann angelesen hast. Vielleicht denkt er darüber nach und ist bereit, sich weiter zu bilden, um pferdegerechten Reitunterricht… also die eigentliche Reitkunst :-), zu lernen und weiter zu vermitteln.

Alles Gute für Dich und Dein Pferd.

 
     
  Smokey in gymnastisch wertvoller Dehnungshaltung. Sein Rücken ist wunderbar aufgewölbt, seine Beine treten weit nach vorne, er ist im Geiste ganz "versammelt".  
     
  Vorwärts-Aufwärts-Tendenz des Pferdekörpers durch Beugen der Hinterhandmuskulatur.  
     
  Rückfrage bezüglich Dreieckszügel

[...]
Ich denke, erst muss der Reiter das Wissen um die Anatomie und Bewegungsabläufe der Pferde haben, um das Pferd überhaupt in seinen Bewegungen fördern zu können. Dieses Wissen ist Voraussetzung für alles Weitere... und das "Weitere" ist jede Menge Übung :-). Alle Bewegungen des Pferdes sind ja quasi schon "da" - nur wir Menschen müssen lernen, das Pferd zu diesen Bewegungen zu animieren :-).

Die Dreieckszügel werden Deinem RB-Pferd sicherlich keine Hilfe sein, im Gegenteil - wenn er im Trab den Rücken "wegdrückt" und den Kopf hochnimmt, muss die Ursache für diese schädliche Körperhaltung gefunden werden. Hat er Schmerzen? Passt der Sattel? Fällt ihm der Reiter in den Rücken? ...

Wie bereits gesagt, durch "In-Form-ziehen" des Pferdekopfes entsteht keinerlei Gymnastik. Auch mit nach-unten-gezogenem Kopf wird das Pferd den Rücken wegdrücken ... durch das nach-unten-ziehen des Kopfes entstehen noch mehr Verspannungen als wenn das Pferd den Kopf hochnehmen würde. Das Senken des Kopfes muss -wie die "Versammlung"- von hinten kommen :-).
Probiere es doch mal an Dir selbst aus: mach ein Hohlkreuz und drücke Dein Kinn zur Brust - dann merkst Du, wie sehr Du Dich verspannst und wie Dein unterer Rücken im Bereich der Lendenwirbel bereits nach wenigen Sekunden in dieser Haltung schmerzt. Stell Dir vor, jetzt würde auch noch ein Gewicht auf Deinem Rücken "sitzen".
Dann versuche wie eine Katze einen Buckel zu machen, dehne genüsslich Deine Rückenmuskulatur.
Jetzt finde in eine gerade Entspannungshaltung in Balance mit leicht gewölbtem "weiten" Rücken.
Wie fühlt es sich angenehm an? Kannst Du Dir in etwa vorstellen, was Dein Pferd fühlt und wie es sich in guter Haltung anfühlen sollte? :-)))
 
     
 
 
   Lastaufnahme durch die Hinterhand des Pf...
 "am Zügel gehen", anatomisch richti...